Haushaltsrede 2010

Sehr geehrter Bürgermeister, lieber Lothar, sehr geehrte Damen und Herren!

Es gilt das gesprochene Wort – ganz ohne Tippfehler!

„Frisches Schlagloch aus der letzten Wintersaison für 50 €  zu verkaufen!“
So ähnlich machte kürzlich die Gemeinde Niederzimmern aus Thüringen auf sich und auf die Finanznot deutscher Städte und Gemeinden aufmerksam.
„Kommunen auf der Kippe“ titelte die FAZ am 3.März.
Was ist los in den Städten und Gemeinden?

Die Wirtschaftskrise ist unten angekommen. Jetzt sinken die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, während die Sozialausgaben steigen. Unsere Städte geraten in einen finanziellen Zangengriff.
Jetzt wird deutlich, dass die Finanzausstattung der Kommunen äußerst mager ist und sie bei wirtschaftlichen Schwankungen sofort in die Überforderung gerät.
Die Kämmerer im Lande stehen da wie dumme Jungen, die mit ihrem Taschengeld nicht umgehen können. Aber zu ihrer Ehrenrettung muss man sagen, an ihnen liegt es in der Regel nicht.
Eine in Berlin eingesetzte Gemeindefinanzkommission soll’s nun richten und den Verteilungsschlüssel der einzelnen Steuerarten ändern. Mehr Geld wird’s allerdings nicht geben. Diesen Zahn hat Schäuble den kommunalen Verbänden schon gezogen.
Sein Credo lautet: Aufkommensneutral verändern!

Auf das Ergebnis, kommt ganz sicher erst nach der NRW-Wahl, darf man gespannt sein.
Die eigentliche Ursache des Problems liegt tiefer:
Die dritte staatliche Ebene, Städte, Gemeinden und Kreise, ist nur nachgeordnete Instanz von Bund und Land.
Neunzig Prozent der Aufgaben, die auf der untersten Ebene erledigt werden, sind Pflichtaufgaben, die Bund oder Land vorgeben.
Selbst die sogenannten freiwilligen Aufgaben sind eingeengt in ein vorgegebenes Regelwerk.
Bedauerlicherweise hat die finanzielle Ausstattung in den Jahren mit den zusätzlichen Aufgaben nicht Schritt gehalten.
Neue Lasten mussten geschultert werden und zwar ohne finanzielle Kompensation.

Aktuell verhagelte zu allem Überfluss die Landesregulierungsbehörde den Stadtwerken Rhede, mit einer sehr eigenwilligen Auslegung von Vorgaben der Bundesnetzagentur, auch noch die Bilanz.
Und weg ist der Jahresgewinn für den städtischen Haushalt.

Die finanzielle Eigenständigkeit und das Recht, die örtlichen Angelegenheiten selbst regeln zu können, ist nur noch in Resten existent. Diese Tatsache ist den Bürgern vermutlich wenig bekannt.
Kurz: Die Kommunen  leiden nicht nur Geldmangel, sondern auch an einem Mangel an Zuständigkeit, an Verantwortung.

Dem bescheidenen Rest an Verantwortung versuchen wir im Rat gerecht zu werden. Das Engagement, das alle Fraktionen bei der Arbeit am Haushalt zeigten, war übrigens umgekehrt proportional zu den Möglichkeiten, zum verbliebenen Einfluss.

An dieser Stelle möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung bedanken, die uns als grüne Fraktion stets ausführlich unterrichtet und informiert hat. Die konstruktiven Gespräche und die Kooperation mit den Fachbereichen haben uns bei der Meinungsbildung unterstützt und für eine umfassenden Überblick gesorgt.
Insbesondere gilt unser Dank dem Kämmerer und seinen Mitarbeitern.

Im Mittelpunkt unserer Haushaltsberatungen stand der Begriff „Balance“.
Mit Balance meint man im Allgemeinen ein Gleichgewicht von entgegenwirkenden Kräften, also einen Zustand der Ausgewogenheit.
Genau diese Balance galt es auch für unseren Haushalt zu finden.

Wichtige Fragen zur Beurteilung des Haushaltes waren für uns:
–  Passt er in den gesamtwirtschaftlichen Rahmen?
–  Zeigt er allen Vorgaben und Zwängen zum Trotz  Perspektiven zur Weiterentwicklung unserer Stadt auf?
–  Lässt sich die Nettokreditaufnahme deutlich  verringern?

Aus diesen Fragestellungen heraus entwickelten wir unsere Strategie
des Umgangs mit dem Haushalt und formulierten unsere Anträge.
Wir überlegten, wie Kosten nachhaltig gesenkt werden können, wie Ausgabesteigerungen dauerhaft vermieden werden können.
Oberste Priorität unserer Überlegungen war allerdings das Bestreben, die Nettokreditaufnahme so gering wie möglich machen zu wollen.
Um diesem Ziel näher zu kommen und in Anbetracht der schwierigen Finanzsituation, beantragten wir im HFA die Bildung einer Arbeitsgruppe „Finanzen“.

Mit dem Einstieg in die Bearbeitung der einzelnen Fraktionsanträge in der zusammengestellten Haushaltskommission, wurde allerdings schnell klar, dass die Verabschiedung dieses Haushaltes ein Kraftakt werden würde. Die Positionen waren z.T. weit auseinander.
Nach ausführlicher Diskussion und Suchen nach Kompromisslinien konnte ein Paket geschnürt werden, dass unserem Anspruch auf Balance annähernd gerecht wird.
Es ist eine Mischung aus Einsparungen, Verschiebungen, Streichungen, Kreditaufnahme und unvermeidlichen Einnahmeverbesserungen, sprich Steuererhöhungen.

Allzu deutlich wurde aber auch:
–  Die Wirtschaftkrise ist auch in Rhede angekommen.
–  Eine desaströse Steuersenkungspolitik in Berlin muss an anderer Stelle, nämlich in den Städten, vom Bürger bezahlt werden. (so wird aus einer kleinen Westerwelle schließlich doch ein Tsunami, ein finanzieller für die Kommunen)
–  Mehr Geld wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Bund und Länder sind dramatisch hoch verschuldet. Die Städte brauchen aber beim gegenwärtigen Finanzierungssystem Zuflüsse von außen, um sich entwickeln zu können. Bleiben diese Zuflüsse aus, können die Kommunen nur durch dramatische Maßnahmen den Kollaps verhindern.
Wir können uns nicht wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.

Bei aller gemeinsamen Anstrengung um den Haushalt, (nebenbei bemerkt: Für die Presse wäre es spannender, wenn wir hier offene Kämpfe austragen würden, aber wir wollen Ergebnisse und keine Show) gibt es schon noch Unterschiede zwischen den Fraktionen.
Ich nenne 3 Beispiele:

1. Die für uns wichtige Nachhaltigkeit mussten wir beim Thema Straßenerneuerung, dem Kompromiss zuliebe, zurückstellen.
Jetzt ist Flicken und Ausbessern angesagt, statt verschlissene Straßen für die nächsten 50 Jahre mit Anliegerbeteiligung angemessen zu erneuern.
Wir bezweifeln  dass die nächste Generation es uns danken wird.

2. Großzügig wurden von einer Mehrheit dagegen 20 T€ für weitere Gutachten zur östlichen Umgehungsstraße spendiert. Obwohl mit unserem jetzigen Wissensstand, jetzt schon klar ist, dass ein Straßenbau durch den Prinzenbusch extrem aufwändig wäre.
Wir können uns die Straße, auch finanziell, nicht leisten. Das Geld, das wir jetzt ausgeben, um die am wenigsten schädliche Trasse zu finden, ist in jedem Fall verschwendetes Geld.
Scheinbar ist die Finanznot noch nicht drückend genug, um ein Umdenken einzuleiten.
3. Auch beim Thema „Gutscheine für Asylbewerber“ konnte der Bürger Unterschiede ausmachen.
Uns geht es um mehr, als nur um eine pflichtgemäße Versorgung mit dem Lebensnotwendigem. Es geht um nichts weniger, als um Menschenwürde.

Eine wichtige Frage zum Schluss:
Was sind aus Sicht der Grünen die Perspektiven zur Weiterentwicklung unserer Stadt?

1. Aus den Jahren der Haushaltssicherung wissen wir, die Einsparanstrengungen dieser Jahre waren durchaus erfolgreich. Unser Gemeinwesen ging gestärkt daraus hervor.
Deshalb wollen wir die Haushaltskommission über die Verabschiedung des Haushaltes hinaus, am Leben erhalten.
Ihre Arbeit hat gerade erst begonnen.
Denn soviel ist heute schon klar: Wir werden nicht umhinkommen, uns von gewohnten Standards zu trennen und eine neue Form von Bescheidenheit an den Tag zu legen.
Kreativität und Durchhaltekraft werden gefragt sein, um kulturellen und sozialen Kahlschlag zu vermeiden.

2. Rhede betreibt neue Gewerbeansiedlung mit einem gesundem Branchenmix und generiert so langfristig zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen.

3. Die Innenstadtentwicklung stockt, aber entscheidende Vereinbarungen sind getroffen, weitere Treffen terminiert.
Wir lassen uns jetzt nicht unter Druck setzen.
Fehler anderer Städte, deren eilig bebaute Innenstadtflächen zu sozialen Brennpunkten wurden, müssen wir nicht wiederholen.

4. Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Städten in der Nachbarschaft. Rhede, das ist ein Markenprodukt, dessen Qualität und Stärke wir sorgsam pflegen und weiterentwickeln müssen.
Es basiert auf ehrenamtlichem Engagement, einem funktionsfähigen und effektiv organisierten Gemeinwesen, einer Top-Infrastruktur, auf gelungenen Festen und Innenstadtveranstaltungen und so weiter und so weiter.
Wir haben viele Gründe optimistisch nach vorn zu schauen!

Ich fasse unsere Einschätzung folgendermaßen zusammen:

Der vorgelegte Haushaltsentwurf zeigt Perspektiven zur Weiterentwicklung unserer Stadt und gibt Raum für Veränderungen.
Aber er mutet den Bürgern neue Belastungen zu.
Dennoch ist er ein ausbalancierter Interessenausgleich aller Beteiligten.

Wir werden uns auch in Zukunft mit grünen Ideen einbringen und freuen uns, wenn sie Berücksichtigung finden und zum Gemeinwohl beitragen.

Der Haushaltsentwurf findet unsere Zustimmung.

Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

Reinhold Störkmann

Verwandte Artikel